Mittwoch, 9. September 2009

Львiв, Lwow, Lemberg

manche städte sind unfreundlich, und manche sind freundlich. kaliningrad war ein beispiel für eine unfreundliche stadt. l'viv hat mich dagegen förmlich zu sich hergezogen und vereinnahmt. vom biesczcady nach l'viv - unmöglich in weniger als 15 stunden, sagt das internet. tatsächlich waren es 10 stunden. das war schon ein guter anfang.
mit einem vagen plan, der viel wartezeit, marschrutkas und einen abenteuerlichen marsch zu fuß über die polnisch-ukrainische grenze einschloss sowie die große wahrscheinlichkeit, im dunkeln und ohne unterkunft in l'viv anzukommen, bin ich aus ustrzyki górne aufgebrochen. erst schienen sich alle erwartungen zu bestätigen. die busfahrt nach sanok dauerte schier unendlich. aber nach anderthalb stunden müßiggang in sanok tauchte ein polnisches pärchen auf, das genau wie ich nach przemysl wollte, und zusammen haben wir die schnellste aller möglichen verbindungen erwischt. kaum aufenthalt in rzeszow sowie die hilfreichen erklärungen des polen am bahnhof von przemysl haben dann dazu geführt, dass ich, ehe ich mich besinnen, geld tauschen oder im internet nach einer unterkunft suchen konnte, in einem nirgends erwähnten bus nach l'viv saß. der busfahrer sprach mich suchende an, drückte mir das einreiseformular in die hand und ließ mir praktisch keine wahl, als einzusteigen, und dann gings auch schon los. abends um sieben war ich dort. und hatte binnen minuten einen stadtplan, einen geldautomaten und ein internetcafe gefunden, sowie eine nette, zentrale unterkunft mit einem freien schlafplatz. fast war mir schwindlig!
l'viv ist nicht mehr europa, nur dem äußeren anschein nach. schön ist es, viele alte bürgerhäuser wie in polen gibt es - dank einer in langen teilen polnischen geschichte - und auch einen zentralen rynek, einen marktplatz. aber dahinter scheint überall etwas durch, das sehr uneuropäisch ist. die häuser sind nicht mehr so gepflegt, damit fängt es an. die straßenbahn kostet einen griwnja, das sind umgerechnet ca. 8 cent. die straßen und gleise sind in einem zustand, den man sich gar nicht vorstellen kann. das führt dazu, dass niemand schneller als dreißig kmh fährt, die bahnen halb so schnell, und jede noch so große straße kann immer überall überquert werden, denn da sich der verkehr ständig selbst blockiert, entstehen immer wieder lücken, und an regeln hält sich ohnehin kaum einer. die matratzen im hostel sind etwa fünf centimeter dick, das war auch recht uneuropäisch, fand ich. und zu guter letzt ist stromverbrauch wohl etwas anderes als hier. die straßen waren nachts teilweise stockfinster.

es gab das übliche programm - kirchen, straßen, plätze - mit ein paar ausnahmen. zum beispiel ist mir rutger aus krakau mittags am ersten tag einfach über den weg gelaufen, das war sehr nett. abends sind wir zusammen in eine vielempfohlene kneipe gegangen, in einem kellergewölbe. am eingang steht ein junger man im tarnanzug und mit gewehr in der hand, und man muss ein passwort sagen: "slawa ukraine" (oder so ähnlich) bekommt man zu hören, "heil der ukraine". antworten muss man "heil ihren helden". das geht einem natürlich quer runter, aber wir sind trotzdem neugierig gewesen und reingegangen. l'viv betrachtet sich - oder etliche seiner bewohner tun das - als die heimliche hauptstadt der ukraine, denn hier sind viele seehr sehr nationalistisch und pro-ukrainisch, während in kiew alle viel zu pro-russisch sind. und sie treffen sich alle in diesem keller, die wahren ukrainer und ein paar touristen. wann immer der kellner an unseren tisch kam, hörten wir wieder "heil der ukraine" und bekamen einen erwartungsvollen blick.
das gewölbe selbst sieht ein bisschen aus wie (und war glaube ich auch) ein partisanenversteck zu sowjetzeiten. das klo findet man hinter einer tür aus unbehauenen holzstämmen, die nach einem versteck im wald aussieht. überall liegen leere patronenhülsen auf dem boden. an den wänden hängen fotos von unglaublich stolz und etwas naiv guckenden soldaten, die ihre kalaschnikows präsentieren, und daneben hängen und stehen die gewehre im original, sowie helme, und mit beidem schmücken sich immer mal wieder die einheimischen gäste und lassen sich ablichten. dann gegen mitternacht kommt eine truppe von drei traditionell gekleideten musikanten und singt feurige ukrainische lieder und die stimmung kocht. als russe sollte man sich dort wohl zurückhalten, aber weil unser hitler ja gottseidank die russen bekämpft hat, sind wir ganz gut angesehen. so ist das.
immerhin waren alle sehr friedlich und fröhlich, und obwohl ich mit der ideologie furchtbare schwierigkeiten hatte, habe ich mich nicht dagegen wehren können, es gemütlich zu finden, paradox war das. rutger ging es ähnlich.
der zweite tag hat mich erst zu einem hügel über der stadt geführt. von dort kann man sehen, dass die schönen häuser der altstadt wie überall nur einen kleinen teil des ganzen ausmachen, der umgeben ist von einem gürtel aus plattenbauten und industrie. mit einem trick hat es die sonne aber geschafft, alles gleichermaßen in ein strahlendes, schönes licht zu tauchen, und man wollte gar nicht wieder gehen.
der weg dorthin und wieder zurück war aber auch schon eine sehenswürdigkeit: die löcher in den gusseisernen treppenstufen, die vollkommen zerbröselten betonstufen an anderen stellen und das abgebrochene und verbogene geländer hier wie da sind etwas, das einen eu-beitritt niemals überleben wird.
nachmittags habe ich einen wunderschönen friedhof aufgesucht, der über und über beladen war mit alten gräbern, gusseisernen kreuzen und würdevollen steinernen figuren. manche gräber waren grotesk mit künstlichen blumen überhäuft, so dass man gar nicht mehr sehen konnte, was eigentlich darunter war. und zwischen die alten quetschen sich neuere gräber schulter an schulter, so dass man kaum hindurchfindet. über allem stehen große alte bäume, die einen tiefen schatten spenden und alles noch friedlicher und seltsamer machen.
im rückwärtigen teil befindet sich ein riesiger soldatenfriedhof, malerisch am hügel in der abendsonne gelegen, und dahinter stehen die plattenbauten. das ist ein denkwürdiger anblick.

trotz all diesem schönen und aufregenden gab es ein vorherrschendes gefühl: ich habe jetzt genug gesehen. ich kann nichts mehr aufnehmen. und es ist zeit, wieder heimzufahren.
ich bin von l'viv über nacht nach katowice gefahren, hier bleibe ich noch für eine nacht. und morgen geht es heim.

Samstag, 5. September 2009

Die Sonne und ich

heute gab es tatsächlich die dritte tour, und zwar im strömenden regen, bei gegenwind und ca. 14 grad. das war ganz schön beschissen. so nass war ich das letzte mal gestern morgen unter der dusche... wie ich die schuhe bis morgen trockenkriegen soll, weiß ich noch nicht. aber seit halb vier scheint ja die sonne wieder, da hilft sie vielleicht wenigstens beim trocknen. hmpf.

Mehr Krakau, und endlich auch Berge

am dritten und letzten tag, dem 1. september, habe ich mich immerhin mit james - dem schon aus vilnius und kaunas bekannten amerikaner - und rutger, einem deutschen backpacker, für den abend verabredet. es gab jede menge feierlichkeiten anlässlich des 70. jahrestags des kriegsausbruchs. in der peter-und-paul-kirche wurde vom world orchestra of peace (oder so ähnlich) ein konzert gegeben, das auf den rynek übertragen wurde, das haben wir uns im freien angesehen. sehr schön, doch. und dann, immerhin, zu dritt noch eine tour durch drei der vielen bars und kneipen, das war ein schöner abend. rutger spricht nur ein bisschen englisch und james kein deutsch, aber verstanden haben sie sich trotzdem prima und ich hab mich gefreut. rutger wollte als nächstes nach l'viv - das habe ich auch vor - und da treffen wir uns vielleicht nochmal.

und am nächsten tag - nach nur neun stunden reisezeit, zweimal umsteigen und vielen vielen stunden warten - ustrzyki górne, mitten im bieszczady an der grenze zur ukraine.
schön ist es hier. still. keine sehenswürdigkeiten. eigentlich seit september nicht mal mehr busse. um acht ist es dunkel. um zehn gehen die lichter aus. aber am tag, am tag ist hier der nationalpark, der bieszczadzki park narodowy. und der besteht aus bergen, aus mittelhohen zwar, aber aus sehr sehr schönen. wenn man oben ist, sieht man nichts außer noch mehr bergen. oder überhaupt nichts - nämlich wenn es so neblig ist wie heute. dann ist man ganz allein mit dem weg, mit ein paar nassen hagebuttensträuchern und ein oder zwei salamandern. das ist die fehlende aussicht wert.
morgen bleibe ich auch noch, denn es gibt noch eine tour zu erwandern.
und vielleicht ertrage ich dann auch l'viv und bratislava wieder.

Dienstag, 1. September 2009

Zwei Arten von Geist

(dieser beitrag ist tatsächlich eigentlich von letztem dienstag, ich konnte ihn nur mangels internetzugang nicht online stellen...)
die letzten tage haben wohl ziemlich viel von polens geistig-geistlichem leben abgedeckt, zumindest geografisch: czenstochau und krakau.

schon die fahrt nach czenstochau von posen war nicht ganz ereignislos. im ersten zug bestand das hauptereignis darin, dass ich bei tempo vierzig zweieinhalb stunden im gang gestanden habe. eine der härtesten geduldsproben meines lebens. die züge hier verdanken ihre pünktlichkeit einer ausgeklügelten taktik: in jedem bahnhof, egal wie klein, hält der zug bis zur nächsten runden uhrzeit (also bis 10 nach, 15 nach,...), mindestens aber fünf minuten. fünf minuten, um sich nichts anzugucken. oft kann man nicht einmal erahnen, wo der zum bahnhof gehörige ort liegt. ich habe nicht gewusst, dass es in europa so viel gegend gibt mit nichts drin. der lärm im zug, wenn er denn fährt, ist ganz beachtlich, weil die fenster nicht dicht schließen - eher offenstehen wegen der hitze - und die gleise in einem erbarmungswürdigen zustand sind.
nach dem umsteigen ging es noch zweieinhalbstunden weiter im intercity. das war dann das genaue gegenteil. geräumige, gepolsterte sitze, wenig fahrgäste, und ein fahrpreis ganz wie in deutschland. weil ich der dame am schalter meine verbindung nicht genau genug gesagt habe, musste ich nachzahlen, insgesamt hat mich die fahrt 93 zloty gekostet, inklusive der obligatorischen reservierung im ic, hust.
ich war aber nicht die einzig dumme: eine frau saß in meinem abteil, etwas jünger als ich, die anscheinend zum ersten mal zug fuhr. sie war unterwegs nach czenstochau, um sich bei den eltern ihres freundes vorzustellen, den sie selbst seit einem monat nicht gesehen hatte. entsprechend nervös war sie, gefroren hat sie in ihrem dünnen shirt, und rauchen konnte sie auch nirgends, und dann hat ihr der schaffner noch 77 zloty abgeknöpft, und das alles nur für eine nacht: am nächsten tag musste sie zurück zu ihrer neunjährigen tochter nach zgorzelec.
ich bin weder alleinerziehend noch habe ich einen umzug von der ukraine an die westgrenze von polen mitgemacht. aber gegenüber dieser zarten armen frau kam ich mir irgendwie sehr lebenstauglich vor.
rechtzeitig vor czenstochau hat sie angefangen, sich zurechtzumachen, schminken, bluse zurechtrücken, bh zurechtzupfen, haare kämmen, nochmal lippenstift auflegen, fertig. nach zehn minuten nochmal die lippen nachschminken, und nochmal in den spiegel gucken, ob alles sitzt, nochmal ein bisschen hier und da zupfen, und zu guter letzt das parfum auflegen.
und dann fragte sie mich, ob ich auch wollte, von ihrem parfum? ihre schokolade hatte ich ja auch nicht abgelent.
nein danke, das ist nett, sagte ich. dochdoch, sagte sie mit nachdruck, armani!, und pffft-pffft hatte ich zwei spritzer armani am hals kleben, ich, auf meiner rucksackreise mit den drei oberteilen! und konnte das zeug noch nicht mal abwischen, ohne sie vor den kopf zu stoßen... das hat am nächsten tag noch gerochen. aber lustig war es schon.

und dann also czenstochau. die unterkunft mal wieder eine schroniska, eine jugendherberge im wohnheim, diesmal der technischen oberschule von czenstochau zugehörig. im inneren wesentlich freundlicher als die in warschau, auch heller und sauberer, und die beiden angestellten waren echte spaßvögel. das schönste war aber, dass der letzte reguläre zimmerbewohner in der schranktür meines zimmers ein hochglanzposter von zwei miteinander spielenden, leichtbekleideten leichten mädchen hat hängenlassen, zur erbauung der frommen pilger nehme ich an.
am nächsten tag habe ich mich dann in wirklicher erbauung versucht, es wurde aber eine ziemlich distanzierte beobachtung draus.
das beeindruckendste an czenstochau ist ohne zweifel der zwei kilometer lange boulevard, der in direkter linie zur jasna gora hinaufführt, der alten festung, in welcher die kirche mit dem berühmten bild der heiligen muttergottes untergebracht ist. ich habe auch immerhin eine gruppe von pilgern gesehen, die fromm und schief singend dort hinaufzog, bestimmt hundert leute. angeführt von gelb-bewesteten wallfahrtsleitern und geistig versorgt von einem lautsprecher, aus dem, vermutlich ununterbrochen, gottesdienste aus der konserve erklangen.
ich bin ihnen in respektvollem abstand gefolgt. die promenade entlang, den hügel hinauf und bis zu den wiesen vor der jasna gora, auf denen hunderte plastikstühle für die gläubigen bereitstehen. nur fünf davon waren besetzt, ich war furchtbar enttäuscht. dann hinein in die festung, ein verwirrendes bauwerk mit zwei festungsringen und zueinander versetzten toren sowie scheinbar keinem einzigen rechten winkel. dann vor der kirche, endlich, die erwarteten horden. unglaubliches geschiebe und gedränge, viele hundert menschen, und wieder lautsprecher, die den gottesdienst für alle hörbar nach draußen übertragen. gottesdienst wird hier wohl immer gehalten. ich kam mir sehr seltsam vor als einzige, die nicht mitgesungen und -gebetet hat. und gleichzeitig befremdet von dem massencharakter. die befremdung hat sich immer mehr verstärkt, je weiter ich vorgedrungen bin. schiebend und drückend und geschobenwerdend durch einen gewölbegang in die kirche hinein. entgegen kamen mir priester, die sich mit hostienkelchen und lauter stimme nach draußen kämpften, damit jeder etwas abbekäme. ich habe mich in eine ecke gequetscht, um nicht ablehnen zu müssen. dann, nach etlichen minuten, war ich in der kirche, um festzustellen, dass die kapelle mit dem muttergottesbild seitlch angegliedert ist. noch mehr geschiebe, dazwischen kinder und säuglinge und sehr alte leute, die alle erstaunlich gelassen waren. in der kapelle herrschten klaustrophobische zustände. und keine madonna in sicht, nur gläubige und wände, die über und über mit krücken, bandagen, schienen, sonstigen beweisstücken behängt waren, wie ein mosaik - dinge, die die wundergeheilten gläubigen hiergelassen haben. wahr, aber unfassbar.
alle aufmerksamkeit richtete sich auf einen kleinen raum vorn in der kapelle. dorthin zu kommen schien unmöglich, außer durch mogelei: zusammen mit einer gruppe von fünfzig rentnern habe ich mich in die sakristei geschoben. und von da aus wurden wir von einem ordensmann durch ebenjenen kleinen raum gescheucht, im rücken die muttergottes von czenstochau, neben uns ein paar dutzend mönche und gewöhnliche gläubige, die versucht haben, sich nicht ihrer andacht stören zu lassen. hinter uns der priester, der ebenso hartnäckig seinen gottesdienst hielt, als wenn nichts wäre. alle rentner haben fotos gemacht, da hab ich auch eins gemacht, ein unscharfes.
und dann ging es durch die ganze kapelle, alle die vielen menschen hindurch zurück ins freie. uff. fast hätte ich mich noch in der jasna gora verlaufen, wegen der unübersichtlichkeit und meiner leichten verwirrung ob der menschenmassen. am ende war alles gut, ich kam raus, habe den zug bekommen und bin nach krakau gereist.

und dann krakau: hatte leider das pech, nach torun und posen an die reihe zu kommen, und vor dem nationalpark. ich habe glaube ich kaum einer stadt so unrecht getan wie krakau. den rynek, den zentralen marktplatz, konnte ich schier nicht ertragen. schon wieder so viele touristen, so viele andenkenbuden, so viele restaurants, musik, sonderangebote, alte häuser, denkmäler und kirchen. und eigentlich wollte ich doch nur in die berge! kazimierz habe ich mir angesehen, das ehemals jüdische viertel. das hat mir sehr gefallen. allerdings die synagogen habe ich auch ausgelassen. den wawel erst recht. und die vielen kneipen, die schönen, originellen, einladenden - selbst auf die hatte ich ohne jens nicht so recht lust. einige buchhandlungen habe ich von innen gesehen, zum beispiel die wunderschöne englischsprachige buchhandlung "massolit", eine von den vielen reverenzen hier an bulgakow. einige feine cafes, mit gar nicht schlechter kunst an den wänden. und musik, die variationsreicher war als in den ganzen sechs wochen davor. daraufhin bin ich zu der ansicht gekommen, daß krakau das geistige zentrum polens sein muss, genauso wie es auch im reiseführer steht.

Sonntag, 30. August 2009

Wieder allein

zu zweit reisen ist schön, aber nicht gut fürs bloggen. jetzt ist alles wieder wie gehabt: jens ist gestern heimgefahren. schön war die zeit! viel von polen haben wir gesehen.
erst ein tag warschau, im unbestritten übelsten hostel meiner ganzen reise. ein studentenwohnheim, das jeden sommer für die touris geräumt wird. dreibettzimmer (als wohnheim für studenten!!), voll mit schränken und regalen, aber frei von jeder gemütlichkeit, dreckige wände, scheißbetten, nur neonlampen, düstere flure, atmosphäre zum heulen oder zum randalieren. letzteres kommt dort wohl öfter vor, und ich kanns verstehen. die küche, die sich je zwei dreierzimmer teilen, existierte in unserem fall nur als raum. kein geschirr, kein besteck, kein wasserkocher. die allgemeine flurküche wurde grade renoviert, also gab es - gar keine küche. hätte man aber auch nicht benutzen wollen, war also eigentlich egal. mir tat die frau leid, die sich im benachbarten dreierzimmer gleich für drei tage einquartiert hatte.
warschau war sehr spannend, und natürlich viel zu viel für einen tag. aber abends, da haben wir uns ganz schön umgesehen. nach neun wurde es schwierig, noch ein restaurant aufzutreiben, da wurden tatsächlich die bürgersteige hochgeklappt. in letzter minute hat uns ein traditionell aufgemachtes lokal mit beschürzten bedienungen vor mcdonalds gerettet, und das essen war dann richtig lecker. aber nachtleben, wie man es in einer hauptstadt erwarten würde, haben wir nicht angetroffen.
im anschluss gings nach masuren, krutyn heißt der ort - mein reiseführer kannte den gar nicht. viel gegend, wunderschöne hügel und wälder, kleine seen, die plötzlich den wald zu einer moorlandschaft machen, und jeden tag sonnenschein. die ganzen deutschen touristen verlaufen sich wunderbarerweise. kultur im üblichen sinn gibt es keine. auch hier isst man besser um acht zu abend, sonst könnte es knapp werden mit dem absacker, aber so gehört es ja auf dem land, zumal dem katholischen. wir sind privat bei einem alten ehepaar untergekommen, diesmal hat die küche auch funktioniert, und wir haben selbstgemachten honig, gurken aus dem eigenen garten und himbeeren bekommen. das alles für 60 zloty die nacht - 15 euro für beide zusammen. eine schöne erfahrung. und über allem, natürlich auch über unserem bett, schwebte die heilige muttergottes von czenstochau, mit narben und plastiksilberverkleidung, und lämpchen zum blinken! in rot und grün, aber die funktionierten leider nicht.
von krutyn gings weiter nach torun. das ist eine nette kleine stadt mit einem großen zentralen platz, wie viele städte hier. und ungefähr so touristisch wie rothenburg ob der tauber. erst gefällt es einem, dass alles so schön erhalten und urig ist. die kleinen gassen und die stadtmauer, und das ganze kopfsteinpflaster! irgendwann mag man dann keine touristenfallen mehr sehen, keine straßenmusik mehr hören und vor allem fragt man sich, wieso es bei all den touristen eigentlich kein anständiges frühstück in der ganzen stadt gibt. kuchen kriegt man überall ab neun, aber wenn man spiegeleier oder vollkornbrot auf der karte hat, darf man anscheinend erst um elf aufmachen... das phänomen scheint hier verbreitet zu sein. gottseidank haben wir in letzter sekunde einen wunderbaren kleinen laden entdeckt, geführt von einem amerikaner aus massachusetts und einer polin, die ganz hervorragende foccacia und panini mit karibisch-arabischem einschlag machen. das hat die stadt gerettet. trotzdem reichten die zwei tage dort bequem für einen tagesausflug nach bydgoszcz, einer etwa doppelt so großen stadt mit mehr industrie und weniger folklore. quasi die plattenbauten am stadtrand als erholung von all der renaissance- und barockarchitektur...
zum abschluss gab es noch zwei tage posen, will sagen poznan. das ist nun wirklich schön, und richtig städtisch, und jenseits des marktplatzes hört die stadt nicht gleich auf. die gemeinsamkeiten mit anderen mittelalterlichen städten sind trotzdem unübersehbar. darum bestand das programm vor allem in einem spaziergang um den see, minigolf und etwas zu viel sonne, und abends einer exzessiven kneipentour bis fünf uhr in der früh. und dann, nach viel zu wenig schlaf, war die zeit zu zweit schon wieder um!
das ist einerseits schade. es ist schön, einen realen ansprechpartner zu haben, mit dem man seine gedanken und gefühle unmittelbar austauschen kann. jens hat auch das bisschen mehr initiative als ich, mit dem man sich mal aufrafft und ein kanu mietet, oder so früh aufsteht, dass einem der tag nicht viel zu kurz vorkommt, und zu zweit bin ich anscheinend einfach unternehmungslustiger als allein. die doofen erlebnisse werden leicht zu lustigen, wenn man gemeinsam darüber lachen kann, und die schönen erlebnisse kann man teilen.
andererseits freue ich mich darauf, noch zwei wochen allein unterwegs zu sein. schließlich hat es bis zur kurischen nehrung, eigentlich sogar bis vilnius gedauert, bis ich mich wirklich mit dieser form des reisens angefreundet habe. dass ich das jetzt noch ein bisschen auskosten und vertiefen kann, ist gut.
czenstochau war gestern (vielleicht später dazu), krakau ist jetzt, die berge kommen auch noch, und vielleicht l'viv und bratislava. und dann geht es wieder nach hause, auch das ist gut.

Dienstag, 18. August 2009

Weiter nach Westen

jetzt bin ich schon in polen. in bialystok.
zwischendurch kaunas als letzter ort in litauen. man hatte mir ganz arg davon abgeraten: gefährlich sei es da! ein franzose sei von einem nazi verdroschen worden, nach dem dunkelwerden bloß nicht mehr auf die straße gehen, und nix zu tun gäbe es außerdem, also das heißt, keine party. so die einhellige meinung einiger partyerfahrener backpacker in vilnius. ich war wirklich verunsichert. der mangel an alternativen hat mich schließlich dazu gebracht, für satte 35,- euro eine b&b-unterkunft am rand von kaunas zu buchen.
bei strahlendem sonnenschein bin ich angekommen, in eine feiertagsruhige stadt. und die touri-info hatte länger auf als nach plan, und plötzlich gab es noch ein billiges hostel, und der große boulevard war wunderschön, und ich war sehr sicher, dass das die richtige entscheidung war.
dann ging es auf und ab. der erste abend (im schon gebuchten teuren b&b) war fein, wunderbares abendlicht, kleine häuser und eine weiße kirche auf dem hügel, eine orangeleuchtende brücke über den nemunas, ein viertel wie in bester stuttgarter halbhöhenlage mit vereinzelten verkommenen holzhäusern zwischen den villen - viel viel zu sehen und hundert bilder.
am nächsten morgen der umzug ins hostel, ins ungemütlichste und abgelegenste meiner ganzen bisherigen reise. leer und sauber, und riesenräume, und keiner drin. grüngestrichene wände - schwachsinnige idee -, kein ofen in der küche!!, und ein mädel an der rezeption, das sich sicher für alles mehr interessiert als für dieses hostel. naja, es war billig. dann ein sonntag in kaunas - ähnlich ruhig wie der feiertag zuvor. aber auch wieder viel sonnenschein, das rathaus, ein altes kloster, ein junger mann, der schöne gitarrenmusik machte, und ein guter kaffee auf der promenade. ein kleiner abstecher in eine seitenstraße. in der vier junge leute spazierengingen, ein mädel, drei jungs. einer von ihnen mit freiem oberkörper, damit man das große, oberhalb der brust eintätowierte hakenkreuz sehen konnte. und meine sonntagslaune war verschwunden.
da wär ich gern mal wieder daheim gewesen. das hat mich echt mitgenommen.
die vorstellung, noch zwei nächte in dieser stadt und dem merkwürdigen hostel zu verbringen, und ganz allein, das war übel.
der weg zurück war auch nicht mehr so schön wie der hinweg, plötzlich war jeder ein versteckter nazi. immerhin, der junge mann mit gitarre war noch da, aber aufbauen konnte mich erst ein telefonat mit jens, der mir geduldig erklärt hat, dass es überall idioten gibt.
im hostel dann ein blick in die gemeinschaftsküche, ob vielleicht doch noch wer da wäre. und ja! james aus new york, den hatte ich schon in vilnius getroffen, der saß allein am tisch und guckte so verdutzt wie ich. also war der abend wieder gerettet, ein portugiese und ein weiterer ami tauchten auf, und wir haben bis halb zwei gequatscht und vodka getrunken.
einen kleinen haken gabs, james schien mich ein bisschen arg nett zu finden, und manchmal wars etwas krampfig. das hat sich aber unspektakulär geklärt, den nächsten tag haben wir trotzdem weitgehend zusammen in der stadt verbracht, und alles war wieder normal.
abends tauchten in diesem öden hostel plötzlich noch drei japanerinnen, zwei russen und heute morgen noch ein weiteres pärchen auf. trotzdem hatte anscheinend jeder ein zimmer für sich, es war mysteriös, dafür waren die wände aus papier. die russen zwei räume weiter musste ich irgendwann bitten, leiser zu reden, damit ich schlafen konnte.

und heute also bialystok.
ich bin seit sechs uhr hier. bislang habe ich an drei hauswänden nazi-inschriften gesehen. aber ich bin ja jetzt abgehärtet, und idioten gibt es überall. sonst ist es schön. ich sitze in einer jazz-kneipe und wappne mich mit einem vodka für den heimweg. morgen fahre ich vielleicht lieber in die umgebung und schaue mir ein bisschen die natur an.
und übermorgen kommt mein schatz, und wir treffen uns in warschau!!!

Freitag, 14. August 2009

Nachtrag: Die Nehrung

ich sitze gerade auf dem rathausplatz von vilnius, und um mich herum herrscht große geschäftigkeit. eine bühne mit ordentlich vielen boxen wird aufgebaut, heute abend gibt es ein pop-folk-konzert mit polnischen und litauischen sängern und vielen vielen dixi-klos. was das wohl wird.
neben mir an der mauer des rathauses steht auf einer steinplakette zu lesen "anyone who would choose lithuania as an enemy has also made an enemy of the united states of america." das zitat ist von 2002. also bitte nur einmal raten, wer das gesagt hat, genau, george w., der alte haudegen.
um zwölf beginnt eine stadtführung, auf die warte ich jetzt. weniger, um nach drei tagen in die geheimnisse der vilniusser altstadt eingeweiht zu werden, als vielmehr, um vielleicht nochmal ein paar andere hostelleute kennenzulernen, gestern abend war tote hose bei uns. und ich hab doch noch drei bier...

also hole ich jetzt den bericht über die kurische nehrung nach.
nida gilt als das sylt von litauen. man stellt sich darunter aber wahrscheinlich etwas falsches vor. die paar nicht sehr hohen hochhäuser und plattenbauten, die es gibt, sind durch pinien geschützt und vom ortskern aus nicht zu sehen. natürlich gibt es eine ladenzeile, typisch eingeschossig mit flachdach und dünnen eisenstützen, die ein vordach tragen. ein cafe, ein restaurant, ein tante-emma-laden. dahinter, neben der touri-info, der große supermarkt, geöffnet von 6 bis 23 uhr mit ziemlich genau deutschen preisen. das ist der sylt-anteil. drumherum und so, als wäre das der eigentliche dorfmittelpunkt, rasenflächen mit alten pinien, kleine bunte fischerhäuser, fahrradverleihe und bänke. man sieht nirgendwo sehr weit, denn direkt hinter dem wasser steigt das land leicht an und hebt sich zu waldigen hügeln. man ist praktisch immer im wald, die häuser stehen zwischen den bäumen, als wären sie nachträglich dahingesetzt worden.
dabei stimmt das nicht: in allen dörfern mussten die bewohner mit großem einsatz ihre häuser gegen die wanderdünen verteidigen. da, wo die bewaldung nicht gelungen ist, sind die dörfer im sand verschwunden, unerbittlich und über die jahrhunderte hinweg immer wieder. nach dem ersten weltkrieg haben die deutschen französische kriegsgefangene für die gefährliche arbeit eingesetzt, etliche sind dabei umgekommen. keine fünfhundert meter südlich von nida heben sich die dünen immer noch so gewaltig und unnahbar über das mehr, dass man trotz meerblick den eindruck bekommt, in der wüste zu sein. ein kleines hölzernes kreuz erinnert an die toten. verstärkt wird der unwirtliche eindruck durch das bewusstsein, dass man drei kilometer vor sich die russische grenze hat, die eu-außengrenze mit scharf bewaffneten russischen wachposten. dahinter liegt das kaliningrader gebiet.
fährt man die nehrung nach norden hoch, ändert sich der charakter: die bepflanzung ist schon so alt, dass nichts mehr an dünen erinnert. sanfte hügel mit heidelandschaften, birken- und pinienwäldern. kleine lichtungen, wiesen, ein majestätisch einsam stehender berg: der vecekrug, die höchste düne der nehrung, vollständig mit dunklen pinien bewachsen. der fahrradweg verläuft an dieser stelle weit weg von der straße, und in der stille, im geschützten tal unter diesem berg, entsteht eine ganz eigenartige, konzentrierte atmosphäre.
bis die nächsten radler ankommen und unbekümmert anfangen, die beeren und blumen aus der wiese abzuernten.
also fährt man am besten weiter, um letzten endes bei juodkrante auf die westseite der insel zu wechseln, wo an der offenen see spärlich besuchte weiße strände liegen und einem auch nach vierzig metern das wasser nur bis zur brust reicht. immer da, wo "betreten-verboten"-schilder aufgestellt sind, haben zahlreiche fußspuren eine schneise durch den strandhafer geschlagen, man sieht die erosion der dünen wie im zeitraffer.
dann mit dem bus wieder heim. in meine privatunterkunft in einer dreizimmerwohnung. die alte frau spricht kein wort englisch. ich habe also meine zehn russischen vokabeln ausgepackt und vor allem beobachtet. wann immer wir uns begegnet sind, haben wir unsere freundlichen absichten durch lächeln kundgetan und durch kurze sätze, die die andere nicht verstanden hat. eigentlich sehr schade.
aber das zimmer war sehenswert. die alte dame scheint ganz gut gestellt zu sein: ich habe bei mir die ausrangierte zweit-schrankwand aus den siebzigern, im wohnzimmer steht die bessere, größere aus den neunzigern. und auch mein fernseher ist kleiner als der im wohnzimmer, und älter. der kühlschrank in der küche ist größer als ich. die schlafcouch ist auch aus den siebzigern, mit diesem schön kratzigen kunstsamtbezug in goldbraun, passend zu den vorhängen aus honiggoldenem nikistoff. geräumig ist es, allerdings knarren die dielen so furchtbar, dass man sich kürzere wege wünscht, denn im dritten zimmer der hellhörigen wohnung schlafen ja noch sohn und schwiegertochter mit dem baby. der zugang zur veranda ist allein mir vorbehalten, aber ich nutze sie nicht, weil ich sonst dem jungen ehepaar auf die betten gucken würde.
ich komme zu dem schluss, dass man wohl ganz gern in so einen grauen plattenbau zieht. vor dem haus wachsen schöne bunte blumen. auch die isolierung scheint besser zu sein als in den ganzen bunten romantischen holzhäuschen am strand. und im winter wird es schon ordentlich kalt werden.

am ersten abend habe ich mich mit etwas unverfrorenheit mit einer litauischen familie bekannt gemacht, wir haben zusammen abendgegessen. die eltern leben in vilnius, die tochter mit ihrer kleinen tochter in london. ganz kluge nette leute. ich hatte auch hier wieder den eindruck, dass der gut ausgebildete, belesene, weltoffene teil meiner generation hier fast vollständig ausgewandert ist - wir haben uns auch darüber unterhalten. die junge frau hatte die hoffnung, dass in ein paar jahren einige zurückkommen. ich hoffe es auch.
am nächsten tag habe ich eva und hans kennengelernt. zwei alte freunde aus münchen, sie ein bisschen hastig, er ganz behäbig, die sich schon so lange kennen, dass sie sich wie ein altes ehepaar aufführen mit ihren paarundvierzig jahren. mit den beiden habe ich die letzten zwei abende verbracht, das war arg nett, ich bin zeugin einer wette geworden und musste versprechen, mich in münchen persönlich davon zu überzeugen, wer nun recht hat.

die führung kann ich nun übrigens nicht mitmachen: ich muss den treffpunkt falsch im kopf gehabt haben. hier ist niemand aufgetaucht. das macht nichts.
die sonne scheint gerade, ich werde noch ein bisschen umherwandern.

Donnerstag, 13. August 2009

Vilnius, sowie Kaliningrad

heute war ein schöner tag, mit kleinem, aber feinem programm. ich ibn jetzt in vilnius.
ich war im museum für zeitgenössische kunst. die ausstellung heißt big in japan und wird ihrem namen gerecht.
ein riesiger raum - etwa 20 mal 30 meter, mit großem verglastem innenhof - ausgelegt mit einem überallhin fließenden netz aus blauen modelleisenbahnschienen. überall heißt: über den boden, die wände hinauf, die decke entlang, in den innenhof, die treppe hinunter und in die angrenzenden räume. überall verzweigungen, kleine grüne oder sandige einschließungen, weiße styroporberge und erdbraune felder. bagger, wartehäuschen, baustellen. alles geht ineinander über, das gesamte netz ist miteinander verbunden. und es scheint immer weiterzuwachsen, unaufhaltsam in seiner organischen art und weise, manchmal ornamental, manchmal chaotisch, manchmal streng linear. ich habe minutenlang versucht, die größe zu erfassen und mich an der weitläufigkeit regelrecht berauscht.
dann noch sehr ausdrucksstarke fotografien von europäischen künstlern, die durch japan gereist sind und das für sie fremde festgehalten haben.
und große gelbschwarzgepunktete bälle, die im raum zu schweben schienen und mich an die verschwundenen marsupilamis erinnert haben.

danach bin ich in einer kleinen creperie eingekehrt, die zur hälfte von einer alten gelben straßenbahn ausgefüllt und äußerst gemütlich von einem riesigen glasmosaik an der decke beleuchtet wird. und weil ich mich so darüber gefreut habe, dass auf der karte basilikum auftaucht - das habe ich hier noch in keinem laden gefunden -, hat die nette bedienung mir ein bisschen extra-basilikum aufs mein gemüsecrepe gestreut, was es zu einer delikatesse gemacht hat. portishead als hintergrundmusik hat mich in alte zeiten zurückversetzt, und ich hätte ewig bleiben mögen.

gestern habe ich es einfach genossen, wieder hier zu sein. bin ein bisschen herumgelaufen, habe bekannte stadtviertel aufgesucht und ein paar schöne kleine flecken entdeckt. am abend gab es ein schönes versacken hier in der küche des hostels, gute gespräche und einen kölner sozialpädagogen, der in chorweiler offene jugendarbeit betreibt und mir neues über meine heimatstadt zu erzählen wusste.
das war wie eine belohnung. denn davor, davor bin ich im nachtbus von kaliningrad hierhergefahren, und kaliningrad und ich, wir waren uns nicht grün.
es fing damit an, dass man ohne kreditkarte keine unterkunft buchen konnte. ich bin also auf gut glück hingefahren. habe zwei stunden damit zugebracht, die busverbindung nach vilnius herauszufinden, einen stadtplan für teures geld aufzutreiben - tourist info gibt es nicht in kaliningrad, nur einen infoschalter im bahnhof, an dem man nichts wichtiges erfahren kann - und ein internetcafe aufzusuchen. da war es halb zwei, und im einzigen hostel war nichts mehr frei. angesichts der plattenbauarchitektur um mich herum habe ich dann beschlossen, keine 50 euro für eine nacht zu investieren, habe darum meinen rucksack eingeschlossen und auf diversen odysseen den weg zum abfahrtspunkt des busses, den rückweg in die stadt und einen ort zum abendessen gesucht. das alles zum größten teil bei strömendem regen. die wenigen alten bürgerhäuser, die wie verloren inmitten der gigantischen weißgrauen unverputzten sowjetwohnblöcke herumstehen, haben diesem tag einen seltsam surrealen beigeschmack gegeben. es hätte ein etwas trister roadmovie werden können und das hat es mir möglich gemacht, über mein ungeschick zu lächeln. den höhepunkt bildete der zufällige besuch im dom. durch geschlossene türen konnte ich ein orgelkonzert mithören, das wahrscheinlich wirklich schön gewesen wäre.
zwei stunden nächtliche wartezeit an der russisch-litauischen grenze haben den tag abgerundet.

die kurische nehrung hole ich ein andermal nach. schön war sie.

Samstag, 8. August 2009

Endlich angekommen

jetzt bin ich in nida auf der kurischen nehrung. seit ich aus riga abgereist bin - also seit montag - hatte ich das gefühl, nicht da zu sein, wo ich hinwill. mazirbe (20 km südlich von kap kolka), die westküste von lettland, liepaja, dann klaipeda in litauen, alles war schön und nett. aber irgendwie auch total egal. ich war überall nur unbeteiligter zuschauer und hätte genausogut woanders sein können. auf dauer ist das ein ziemlich ödes, blödes, trauriges gefühl.
dabei hätte es auch wirklich schön sein können. in mazirbe habe ich zwei nächte verbracht und mich mit einem deutschen pärchen öfter unterhalten, er spricht fließend lettisch und war schön öfter dort, weil seine mutter lettin ist. sie war eher zurückhaltend, aber trotzdem sehr sympathisch. ein fahrrad habe ich gemietet und bin einmal ganz bis zum kap hochgefahren, habe beobachtet, wie die wellen der offenen und der geschützten östlichen baltischen see ineinanderfließen, und bin die buckligste und staubigste schotterpiste der welt wieder zurückgefahren. in liepaja habe ich abends eine schöne bar mit einem leckeren abendessen und feinster achtziger-musik gefunden. das hostel lag allerdings in einem etwas heruntergekommenen teil der stadt, insbesondere der weg vom busbahnhof dorthin war abenteuerlich. selten bin ich mir mit meinem großen rucksack so provozierend wohlhabend vorgekommen. im hostel fand sich dann der ausschlaggebende anlass für meinen vorigen beitrag... am folgenden tag habe ich bis zur abreise nichts anderes getan, als ebendiese sowie meine nächste unterkunft zu organisieren, habe also vom touristischen teil liepajas nichts mitbekommen.
und freitags in klaipeda, da habe ich einen tagesausflug zur nehrung gemacht, um rauszufinden, ob ich denn nun hier sein will oder nicht, und ob sich eine bezahlbare unterkunft auftut. fast wäre ich wieder abgereist, denn in der tourist info fangen die unterkünfte natürlich erst bei fünfzig euro die nacht an. hostels gibt es zwar auch zwei. nun ja, "hostels". sehr schlicht und einfach sind sie wohl. aber schlafsäle, oder einzelzimmer, nein, sowas gibt es da nicht, sagt unfreundlich eine dame auf russisch und mustert mich von unten bis oben, ihre tochter übersetzt ins englische. das konzept der alleinreisenden frau scheint ihr höchst suspekt und keinesfalls unterstützenswert zu sein. natürlich kann ich ein doppelzimmer zum vollen preis haben, wie lange denn bitte? ich sage, ein oder zwei nächte. nein, sagt die tochter, das gibts nicht, "ein oder zwei". ich muss mich schon entscheiden, was will ich, eine oder zwei nächte? - äh, ja, zwei? - ja, dann kostet das 120 litas pro nacht (31 euro), aber das zimmer ist erst ab sonntag frei, und auch nur vielleicht, ich soll dann einfach vorbeikommen und fragen. - klar. danke. wiedersehen.
im nächsten hostel ist auch nichts frei.
ich steuere eins der vielen häuser an, die ein schild draußen hängen haben, zimmer zu vermieten. die frau spricht deutsch, wie viele hier. ob ich allein reise? ja. das sei ja sehr schwierig, sagt sie, die meisten hätten nur doppelzimmer. ja, sage ich, stimmt. sie hat auch nur doppelzimmer, stellt sie ungerührt fest.
in dem moment hatte ich fast genug von der sucherei, blöde ignoranten, die keine armen alleinreisenden backpacker unterstützen und mich auch noch schief angucken! ich habe mich dann erstmal auf den weg zu den dünen gemacht, um mich wieder einzukriegen. und auch, um zu überlegen, ob es jetzt hier wirklich so schön ist, dass ich mir ein teures hotelzimmer leiste. und siehe da, auf dem weg dorthin taucht ein einfaches freundliches kleines häuschen auf, auch da hängt ein schild im fenster, ich frage, und die freundlich alte dame hat etwas für mich, drei nächte, klar, und zwar für 80 litas pro nacht, also 23 euro.
und da bin ich nun! alles ist gut!

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Warum nochmal der Osten?
warum wollte ich nochmal nach osteuropa? - ach ja,...
antholog - 29. Jul, 20:15
Wow!
Ja, Du hast recht. Wir müssen unbedingt das nächste...
Jens_ausm_Norden - 10. Sep, 09:31
.
Ich bin sowas von beeindruckt, echt jetzt. Ruf mich...
ddp - 10. Sep, 04:12
Львiв, Lwow, Lemberg
manche städte sind unfreundlich, und manche sind freundlich....
antholog - 9. Sep, 20:05
Die Sonne und ich
heute gab es tatsächlich die dritte tour, und zwar...
antholog - 6. Sep, 22:57

Links

Suche

 

Status

Online seit 5471 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 29. Jul, 20:15

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren